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Unsere Geschichte

Eine Initiative von Inhaftierten

1996 hatten drei Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, genannt „Santa Fu“, die Idee zu einem Verein. Das Ziel: Insassen der JVA erhalten eine Aufgabe, indem sie im Bereich der Kriminal- und Gewaltprävention für Jugendliche arbeiten.

Die Projektkonzeption wurde in Zusammenarbeit mit der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung sowie der Justibehörde erarbeitet. Nach einer Erprobungsphase im Jahr 1998 hat sich das Projekt der JVA-Besuche mit Jugendlichen durchgesetzt und wird seitdem als Kernprojekt des Vereins betrieben.Gefangene helfen Jugendlichen e.V. ist seit 2001 ein eingetragener Verein und hat seit 2005 die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe.

KONFRONTIEREN – DISKUTIEREN – INFORMIEREN – SENSIBILISIEREN

Mit unserem einzigartigen Lösungsansatz bei dem ehemalige Häftlinge und aktuell einsitzende Straftäter Kindern und Jugendlichen die Folgen von Straftaten und Gewalt vermitteln, intervenieren auf einer anderen Ebene als klassische gewalt- und kriminalpräventive Projekte ohne (ehemalige) Strafgefangene. Unsere Zielgruppe erreichen wir folglich auf eine besondere Art und Weise und machen so wirksame Kriminal- und Gewaltprävention bei Jugendlichen. Wir konfrontieren sie. Wir sensibilisieren sie. Und wir diskutieren mit ihnen auf Augenhöhe.

(Volkert Ruhe, Geschäftsführer GhJ)

GhJ-Erklärfilm. Wie funktioniert Gefangene helfen Jugendlichen – und welchen Nutzen bringen wir.

Die Idee: Gefangene von „drinnen“ haben mit Jugendlichen von „draußen“ Kontakt

Den Schwerpunkt des Besuchs vor Ort legt das Team von Gefangene helfen Jugendlichen e.V. in das Gespräch zwischen delinquenten Jugendlichen und ausgewählten, verantwortungsvollen Insassen, die ihre Taten bereuen. Der Gefängnisbesuch und die Konfrontation mit den Biografien der Insassen soll die Gedanken zur Lebensplanung und -auffassung der Jugendlichen erreichen. Er soll Irritationen in die Klischees und Stereotype der Jugendlichen von Kriminalität, Gefängnis und Gewalt bringen. Es ist ein Denkanstoß. Denken und Handeln müssen die Jugendlichen selbst. Starke Kooperationspartner, zuverlässige Förderer und ein beständiges Team haben es uns möglich gemacht, dass wir bereits über 5.000 Jugendliche durch den Besuch in den Justizvollzugsanstalten und über 11.500 Schüler durch den Präventionsunterricht erreichen konnten. In den letzten Jahren arbeitet GhJ daran, das Projekt auch auf andere Standorte auszubauen, um bundesweit mehr Jugendliche zu erreichen. Mittlerweile führen wir die Arbeit an unseren Standorten in Bremen, Hannover, NRW, Baden-Württemberg, Berlin und Schweiz (Lenzburg) erfolgreich aus.

Gewalt bei Kindern und Jugendlichen

Gewalttätige Kinder und Jugendliche. Kaum ein anderes Thema sorgt regelmäßig in der Öffentlichkeit für so viel Aufsehen wie dieses. Dass Jugendliche Grenzen austesten, ist normal – es gehört zum Erwachsen werden dazu. Aber was steckt dahinter, wenn jemand zuschlägt, weil ein anderer blöd guckt? Wie leben Jugendliche ihre Frustration, ihre Aggressionen aus? Fest steht: „Strafen“ bzw. schulrechtliche Sanktionen im Sinne von Erziehungsmaßnahmen allein sind keine Lösung, da sie keine Antwort auf das fehlende Einfühlungsvermögen der Täter und ihre massiven Rechtfertigungs- und Verharmlosungsstrategien geben und damit auch keine dauerhaften Verhaltensänderungen erlauben.

Junge Menschen sind – relativ gesehen – krimineller und gewalttätiger, als Erwachsene

Junge Menschen haben zwischen 14 und 21 Jahren einen Anteil von 19% an allen im Jahr 2013 registrierten Tatverdächtigen. Da sie aber lediglich knapp 7,1 % der Bevölkerung ausmachen, sind sie damit in Relation zu ihrem Anteil an der Bevölkerung stark überrepräsentiert. Hinzu kommt die Tatsache, dass mehr als ein Viertel der jugendlichen Tatverdächtigen mehrfach (2 bis 5 Mal) als Tatverdächtige zu verzeichnen sind. Auch bei Betrachtung der Opferstatistik, die vornehmlich Gewalthandlungen betrifft, wird deutlich, dass auch hier die Jugendlichen im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung überrepräsentiert sind. Das Verhältnis zwischen Opfern und Tätern in dieser Altersgruppe zeigt einen kaum vorhandenen Unterschied. So liegt der Anteil der unter 21-Jährigen an den Opfern bei etwa 19,1 % und ist somit 12% höher als ihr Anteil an der Wohnbevölkerung (7,1 %).

Das Gesellschaftliche Problem

Hohe Rückfallquoten

Nicht nur ihr Anteil an den Tatverdächtigen ist sehr hoch, auch die Rückfallquote von bereits entlassenen Jugendlichen aus Jugendstrafen und –arresten (ohne eine anschließende Bewährung) liegt bei ca. 70%. Auch die Wiederinhaftierungsrate von Erwachsenen zeigt ein erschreckendes Ergebnis: Hier kehren mehr als die Hälfte aller entlassenen Strafgefangenen in den Strafvollzug zurück. Die erfassten Zahlen spiegeln lediglich das Hellfeld wieder. Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass das Dunkelfeld, also die nicht bekannt gewordene Kriminalität, die statistisch erfassten Zahlen übertrifft. Junge Menschen zwischen 14 und 21 Jahren haben einen Anteil von 19 % an allen im Jahr 2013 registrierten Tatverdächtigen.

Der Großteil der Kosten wird für den Vollzug aufgewandt – nur 10% für Resozialisierung und noch viel weniger für Prävention

90 % aller zur Verfügung stehenden Resozialisierungskosten werden z.Zt. für den Vollzug aufgewandt. Das bedeutet, dass lediglich 10 % für ambulante Dienste der Justiz verwendet werden. Einen kausalen Zusammenhang schafft somit die Wiederinhaftierungsrate von Jugendlichen und Erwachsenen. Scheinbar schlagen die resozialisierenden Ansätze der Justizvollzugsanstalten nicht an. Statistisch belegt wird dies durch die Untersuchung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Der zufolge wird lediglich bei 30 % der Entlassenen die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Bei dieser Personengruppe, egal ob es sich um Jugendliche oder Erwachsene handelt, liegt die Rückfallquote deutlich niedriger. 70% werden folglich nicht weiter durch ambulante Dienste der Justiz betreut. Die Wahrscheinlichkeit in ein „Entlassungsloch“ zu fallen und wieder kriminell zu agieren, ist dadurch immens hoch. Auch die zahlreichen Projekte der freien Straffälligenhilfe könnten bei dieser Problematik zwar mit professioneller und hilfreicher Arbeit Abhilfe schaffen, jedoch sind sie zum größten Teil strukturell unterfinanziert und somit existenziell bedroht. Das Fehlen von Landesresozialisierungsgesetzen, die eine strukturelle Absicherung gewährleisten könnten, wird hier besonders deutlich.

Lösungsansätze über die freien Träger der Jugendhilfe

Um das Abrutschen in kriminelle Handlungsweisen zu verhindern, noch bevor es zu Konsequenzen kommt, gibt es viele freie Träger der Jugendhilfe. Diese bieten verschiedenste präventive Angebote in Form von Anti-Gewalt und Anti-Aggressivitäts-Trainings, sowie Coolnesstrainings und soziale Trainingskurse. Auch diese Einrichtungen sehen sich grundsätzlich mit der strukturellen Unterfinanzierung bedroht. Zudem verfolgen sie im Kern einen rein pädagogischen Ansatz. An diesem ist vorerst nichts auszusetzen. Versetzt man sich nun aber in die Lage eines Jugendlichen, der etliche dieser Maßnahmen durchgemacht hat, stellt sich in dieser Hinsicht eventuell eine Art Resignation ein. Den Jugendlichen fehlt es an dieser Stelle an Authentizität; an Personen, die sowohl die methodische Kompetenz mitbringen als auch eine Identifikationsfigur darstellen und somit das Arbeiten auf einer anderen Ebene zulassen. Ebenfalls hoch umstritten ist die Prävention im Kindesalter. Durch präventive Ansätze in jungen Jahren wird nicht nur eine Stigmatisierung von Kindern riskiert, sondern auch eine Kriminalisierung. Vergessen dabei wird aber häufig, dass bereits die Förderung von pro-sozialen Handlungsweisen, also z.B. der richtige Umgang miteinander, präventive Erfolge in späteren Jahren aufweisen kann. Hierzu gilt es weitaus mehr Angebote für Kinder und Eltern z.B. in Kindergärten zu etablieren.

Unser Lösungsansatz

Im Rahmen unserer Arbeit geht es darum, bei den Jugendlichen eine höhere Sensibilität für andere zu entwickeln und Hilfsbereitschaft sowie positives Verhalten zu fördern, in dem sie auf die Folgen ihres Handelns für eine andere Person hingewiesen werden, also Zusammenhänge hergestellt und eigenes Fehlverhalten einsichtig gemacht wird.

Nachdenken über Opfer und über Folgen – Empathie als Gewalthemmer

Ein wesentliches Mittel zur Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen ist die Fähigkeit und Bereitschaft zur Empathie. Die meisten gewalttätigen Jugendlichen haben kaum Schuldgefühle und sind wenig bereit, ihr Verhalten zu reflektieren und zu ändern. Auf Vorwürfe reagieren sie mit Rechtfertigungen und Verharmlosungen. Die Opfer sind ihr großes Tabuthema – und das aus gutem Grund: Das Nachdenken über die Opfer, das Einfühlen in ihr Leid, verdirbt den Kick beim Ausüben physischer und psychischer Gewalt. Empathie mit einem anderen Menschen bedeutet, sich in dessen Lage zu versetzen und sich darüber klar zu werden, was der andere fühlen könnte, die eigenen Gefühle zu erkennen und angemessen zu reagieren. Wiederholtes Konfrontieren mit den Folgen der eigenen Gewalttat, wie auch die Perspektivenübernahme, bei der man sich in die Rolle und Position eines anderen hineinversetzt und die Welt versucht aus dessen Sicht zu sehen, wirkt sich nachweislich aggressionshemmend auf die Gewaltbereitschaft der Täter aus. Die Praxis hat gezeigt, dass es den Jugendlichen nicht mehr so leicht fällt, Gewalt gegenüber anderen auszuüben; sie verlieren den „Spaß“ an der Gewalt.

Ursachen von Aggression – und effektives Gegenwirken

Aggressionen hat jeder Mensch. Dies kann, muss aber nicht zu aggressivem Verhalten führen. Die Ursachen aggressiven Verhaltens sind vielschichtig. Unbestritten tragen gesellschaftliche Benachteiligung, Selbstwertverletzungen und Frustrationen zur Entstehung von Aggressionen bei. Viele Jugendliche suchen durch ihre Gewalt nach Selbstbestätigung. Sie verteidigen ihre Ehre, verschaffen sich Respekt, demonstrieren Stärke und Durchsetzungsfähigkeit, stellen Hierarchien her und suchen Anerkennung. Die meisten Lernpsychologen vertreten die Auffassung, dass aggressives Verhalten erlernt und somit auch wieder verlernt werden kann. Unsere Arbeit verfolgt vor allem das Ziel, dass beim Auftreten einer kritischen Situation der Blick zuerst nach innen gewandt wird und somit ein Selbstregulierungsprozess entsteht. Ziel ist es, Routinemuster und Automatismen aufzulösen, Handlungsalternativen zu entwickeln und eine dauerhafte Verhaltensänderung herbeizuführen.

Sensibilität für andere entwickeln…

Im Rahmen unserer Arbeit geht es darum, bei den Jugendlichen eine höhere Sensibilität für andere zu entwickeln und Hilfsbereitschaft sowie positives Verhalten zu fördern, in dem sie auf die Folgen ihres Handelns für eine andere Person hingewiesen werden, also Zusammenhänge hergestellt und eigenes Fehlverhalten einsichtig gemacht wird. Konflikte gehören zum Leben; ohne Streit und Auseinandersetzung kommt keine zwischenmenschliche Beziehung aus. Auffällig aber ist bei aggressiven Jugendlichen, dass diese außer Beleidigungen und Tätlichkeiten wenig Konfliktbewältigungsstrategien zu bieten haben. Dabei ist das eigene Konfliktverhalten oft eine Kopie dessen, was man sich bei seinen Vorbildern, z.B. bei den Eltern oder in der Peer-Group, also unter Gleichgesinnten angeeignet hat und wird somit schon in jungen Jahren geprägt. Daher ist es zunächst erforderlich, die eigene Rolle in der Auseinandersetzung und die oft unbewussten Interessen, die konstruktiven oder destruktiven Anteile der eigenen Person zu erkennen.

Konflikte auf faire Art lösen… – prosozial handeln lernen

Eine faire Konfliktlösung setzt voraus, dass die eigenen Interessen und Bedürfnisse nicht mit allen Mitteln verfolgt werden und dass die Interessen anderer als gleichberechtigt anzuerkennen sind. Gefangene helfen Jugendlichen soll den Jugendlichen dabei helfen, Konfliktsituationen rechtzeitig zu erkennen, einzuschätzen und durch deeskalierende Konfliktlösungsstrategien zu vermeiden. Pro-soziales Verhalten ist jede Handlung, die das Ziel hat, einem anderen Menschen Gutes zu tun und bedeutet, den Egoismus um des anderen Willen zurückzustellen. Empathie spielt bei der Ausbildung pro-sozialer Verhaltensweisen eine große Rolle. Besorgniserregend in der heutigen Ellenbogengesellschaft ist die zunehmende Rücksichtslosigkeit in der Durchsetzung der eigenen Interessen. Kinder erlernen die in der Gesellschaft geltenden sozialen Normen im Elternhaus und in der Schule. Wenn ihnen hier hilfreiches Verhalten nicht vorgemacht wird und ihnen selbst auch keine ausreichenden Reaktionsgelegenheiten gegeben werden, dann können sie Hilfeverhalten kaum erproben und auch keine pro-sozialen Kompetenzen entwickeln; auch an der nötigen Motivation zum Eingreifen dürfte es fehlen.

„GHJ ist der wohl einzige Verein in Deutschland, der es geschafft hat, das durchweg negativ übermittelte Bild des Strafgefangenen in den Medien auch einmal positiv zu besetzen. GHJ ist fast die einzige Möglichkeit für weibliche und männliche Strafgefangene in Hamburg, während ihrer Haftzeit etwas Sinnvolles zu tun. GHJ erreicht Jugendliche, die sonst auf keinen mehr hören.“

(Stefan Herbert)
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