„Da habe ich gemerkt, das ist noch nicht der Himmel“

Cannabis mit 12. Koks mit 15. Pilze, Heroin und zum Schluss sein eigener hergestellter Stoff. Der 32-jährige Gavin war über acht Jahre lang schwer drogenabhängig.
Das erste Mal Drogen genommen habe er bereits mit 12 Jahren. „Da ging es mir richtig dreckig – hat mich aber nicht abgeschreckt.“ Und er machte weiter. Bis er irgendwann das erste Mal in die JVA musste. „Von U-Haft bis zweieinhalb Jahre Haftstrafe in Billwerder habe ich alles hinter mir.“ Doch auch als er entlassen wurde, konnte er sich nicht von den Drogen lösen. „Ich hing an der Nadel und habe irgendwann sogar meinen eigenen Stoff hergestellt.“ Immer wieder bekam er einen Haftbefehl und musste erneut in die JVA. Wie oft er da war? „Ich habe aufgehört zu zählen.“

Suizidversuch im Hotelzimmer

Dabei seien die Drogen in erster Linie vor allem eine Art Betäubung gewesen. „‘Dann erträgst du das auch besser zu Hause‘, habe ich mir gedacht.“
Es habe die Autorität zu Hause gefehlt und Freunde habe er auch keine gehabt. „Zuerst hatte ich meine Skaterphase. Da habe ich dann immer geraucht. Doch irgendwann kam die Discophase.
Da hieß es dann: Pillen statt Rauchen.“
Immer wieder habe er zu Drogen gegriffen und immer wieder habe er eine Entgiftung gemacht. Doch von den Drogen kam er nie wirklich los.
Bereits mit 19 Jahren litt er an Depressionen, die so stark waren, dass er sich das Leben nehmen wollte. „Ich bin nach Spanien geflogen, nachdem ich zuvor noch einen großen Betrug begangen hatte“, erzählt er ruhig.
Mit Glasscherben einer zerbrochenen Wodka-Flasche habe er sich die Pulsadern aufgeschnitten, doch die Hausdame habe ihn in seinem Hotelzimmer vorgefunden.
„Die arme Frau. Die tut mir heute noch leid. Dass sie mich da so vorfinden musste. Das ganze Zimmer war voller Blut.“

„Ich bin rumgelaufen wie die letzte Leiche“

Er überlebte seinen Suizidversuch und wurde ins Krankenhaus gebracht.
„Als ich meine Augen öffnete, sah ich nur etwas Weißes. Dann hörte ich Geräusche und nahm langsam alles wahr. Da habe ich gemerkt, das ist noch nicht der Himmel.“
Doch glücklich war er darüber nicht. „Als ich wieder zurück nach Deutschland kam, habe ich zu meiner Mutter gesagt: ‚Ich will nicht mehr leben.‘“ Also entschied er sich für eine Klinik, wagte er erneut eine Entgiftung, machte eine Therapie und wollte seine mittlere Reife nachholen. Zwischennote: 1,8. Es lief gut für ihn. Vielleicht zu gut. „Denn irgendwann habe ich wieder angefangen, zu kiffen und bin daraufhin richtig abgestürzt. Bis zum Härtesten: Heroin.“
Dies habe er in erster Linie genommen, um nichts mehr empfinden zu können, emotionslos zu sein und alte Erlebnisse zu vergessen. „Ich bin rumgelaufen wie die letzte Leiche.“

„Ich musste mich selber motivieren“

Rückblickend stellt er fest: „Was mir am meisten gefehlt hat, war eine Perspektive. Aber heute weiß ich: Perspektiven muss man sich erarbeiten. Ich wollte endlich auf eigenen Beinen stehen, ich wollte das einfach schaffen.“
Dennoch hatte er zwischendrin immer wieder Tiefschläge und wusste nicht, ob er es schaffen würde, nicht die Kontrolle zu verlieren. „Ich musste mich selber motivieren. Ich dachte ‚Irgendwann bekommst du eine Wohnung, du musst nur am Ball bleiben.‘ Gerade in solchen Situationen muss man sich selbst gut zureden!“, erklärt er.
Zu Gefangene helfen Jugendlichen sei er über einen Kontakt gekommen. „Mir war es vor allem wichtig, eine Aufgabe zu haben und etwas Sinnvolles zu tun. Und das macht Spaß!“
Dabei gefällt ihm vor allem, dass die Arbeit trotz des gleichen Tätigkeitsfeldes immer etwas Neues mit sich bringt. „Ich lerne durch die Kids – und sie vor allem auch durch mich!“

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„Mir hätte der sozialpädagogische Finger damals nicht geholfen“

Dabei stelle GhJ eine gute Möglichkeit dar, den Jugendlichen zu zeigen, was Knast wirklich bedeutet. „Sie haben gar keine andere Möglichkeit, außer durch die Konfrontation mit dem Knast, einen Warnschuss zu bekommen“, erklärt der 32-Jährige.
Dabei kann er über sich selbst sagen: „Mir hätte der sozialpädagogische Finger damals nicht geholfen. Aber vielleicht hätte es mir was gebracht, mich mit 14 Jahren auch mal in eine Zelle zu schließen.“
„Die Jugendlichen denken, Knast sei cool“, führt er weiter fort. „Allein in der Musik, die sie hören, bekommen sie ein völlig falsches Bild von Knast vermittelt. Da rappen Leute von irgendwelchen Tagen im Knast, die sie sowieso nicht erlebt haben.“
Wenn Jugendliche ihn auf so etwas ansprechen und Vergleiche ziehen sagt er: „Selbst solche Rapper heulen auch nur allein in seiner Zelle, wenn sie einsam sind.“

Neue Perspektiven durch GhJ

Einsamkeit, Perspektivlosigkeit – Gefühle, die auch jeder andere Inhaftierte kennt.
Auch für Gavin war es anfangs ein komisches Gefühl, wieder in den Knast zu gehen – wenn auch im Rahmen eines Projekttages mit Jugendlichen. „Aber allmählich weiß ich: Ich geh da rein, aber ich gehe am selben Tag auch wieder raus.“
Seit Anfang des Jahres unterstützt Gavin GhJ und die Arbeit in unserem Verein. Das macht ihm nicht nur Spaß, sondern hat ihm eine weitere Perspektive erschaffen. „Ich möchte am liebsten eine Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten machen.“

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